Cadmiumbelastung in Kakao
2019 tritt die Verordnung (EU) Nr. 488 / 2014 in Kraft, in der Angaben zu Höchstwerten bezüglich des Cadmiumgehalts in Lebensmitteln und somit auch in Schokolade & Co. getroffen werden. Epidemiologische Studien geben Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten verschiedener Tumore in industriell belasteten Populationen.
Die zugrunde liegenden molekularen Ursachen hierfür sind multifaktoriell und beinhalten hemmende Effekte auf zentrale Prozesse für die zelluläre Stabilität. Nationale und internationale Gremien stufen Cadmium entsprechend als humankanzerogen ein (IARC-Kategorie 1A). Ausgehend von der Begrenzung der tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmewerte (PTWI-Wert) in Höhe von 2,5 µg Cadmium/kg Körpergewicht durch Expertengremien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stellt sich aktuell erneut die Frage zur Bewertung des Verzehrs von Pflanzen / Pflanzenteilen – und somit auch Kakao – aus teilweise stark schwermetallbelasteten Böden durch die nichtindustriell belastete Allgemeinbevölkerung und welche Maßnahmen zur Reduzierung ggf. abgeleitet werden müssen. Dr. Claudia Keil von der TU Berlin widmet sich intensiv diesem Thema und erläutert in einem Interview wichtige Aspekte.
sweets processing: Ausgehend vom PTWI-Wert für Cadmium wurde 2009 und 2012 seitens der EFSA die nahrungsbedingte Cadmiumaufnahme in der europäische Bevölkerung analysiert. Wie ist dies zu bewerten?
Dr. Claudia Keil: Die Zusammenstellung der umfangreichen Datenmengen zur Cadmiumbelastung einzelner Lebensmittelgruppen und die Auswertung von über 30 internationalen großflächig angelegten Ernährungs-
umfragen eröffnen ein enormes Potenzial zur Bewertung. Festzuhalten bleibt, dass neben Cerealien, Nüssen und Fleisch vor allem kakaohaltige Produkte als relevante Quellen zu nennen sind.
Deutlich zum Ausdruck kommt, dass nicht nur die dauerhaft gesteigerte Zufuhr einer einzelnen cadmiumbelasteten Lebensmittelgruppe ein Problem darstellt; vielmehr bergen additive Effekte durch den regelmäßigen und vermehrten Konsum mehrerer Komponenten für einzelne Bevölkerungsgruppen das Risiko einer Überschreitung des PTWI-Werts. Hier sei an die Stellungnahme des Bundesinstitutes für Risikobewertung erinnert, in der bereits 2007 – basierend auf eben jenen additiven Effekten zum Schutz insbesondere von Kindern und Heranwachsenden – die Limitierung des Cadmiumgehaltes in besonders kakaoreichen Schokoladenprodukten vorgeschlagen wurde.
sp: Welche Ansätze zur Gefahrenreduktion gibt es?
CK: Es sind mehrere Wege denkbar. Priorität muss es sein, durch eine Verminderung des Einsatzes phosphathaltiger Dünger den Eintrag von Cadmium in die Böden erheblich zu reduzieren. Im Falle einer Negativbewertung von Bodenproben entzöge dies jedoch den Kakaobauern womöglich ihre Existenzgrundlage. Entsprechend gilt es, züchtungsorientiert Verfahren zu entwickeln, welche die Kakaopflanze in die Lage versetzen, weniger Cadmium über die Wurzel aufzunehmen oder dessen Transport in die Blätter und / oder Früchte deutlich herabzusenken.
sp: Das allein kann es für den Endverbraucher nicht sein?
CK: Nein, sicher nicht. Um letztendlich abschätzen zu können, welche Gefahren vom Cadmium ausgehen, ist es notwendig, den Mechanismus der Schwermetallaufnahme aus dem jeweiligen Lebensmittel spezifisch zu bewerten. Sicherheitsorientiert für den Verbraucher wurden die von der EFSA durchgeführten Kalkulationen mit einer durchschnittlichen Cadmiumresorptionseffizienz von 5 % erfasst. Letztlich muss jedoch aus diversen Studien gefolgert werden, dass im Lebensmittel enthaltene Liganden und der Prozessierungsgrad die zelluläre Aufnahme und somit auch dessen Bioverfügbarkeit erheblich beeinflussen. Um das Ausmaß dieses Effektes für einzelne Lebensmittel gezielt erfassen zu können, wird in unseren Studien zukünftig ein kombiniertes Gastrointestinalmodell eingesetzt. Zunächst sollen hier kakaohaltige Produkte sukzessive in vitro einer Behandlung mit Verdauungssekreten unterzogen werden. Folgend kann nach einer solchen Inkubation die zelluläre Aufnahme und der Transit von Cadmium im differenzierten Caco-2-Enterozytenmodell erfasst und bewertet werden.
sp: Schokolade ist also keine schwere Kost?
CK: Diese Frage ist zum jetzigen Zeitpunkt pauschal nur schwer zu beantworten. Letztlich bleibt festzuhalten, dass Schokolade neben Cadmium eine Vielzahl an physiologisch positiv bewerteten Substanzen – gerade die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe wie die Flavonole – enthält. Die Balance zwischen beiden gilt es zu halten.