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Digitalisierung bringt der Lebensmittelindustrie Vorteile
Industrie 4.0 revolutioniert die Lebensmittelbranche in einer bisher ungeahnten Art und Weise. Waren anfangs die Hersteller noch eher zögerlich und verwiesen auf Maschinenbauer und diskrete Einzelfertiger, wenn es um die Digitalisierung ging, ist diese Skepsis inzwischen weitgehend gewichen.
Betrachtet man die vielen Studien zu Industrie 4.0, wird eines deutlich: Das Internet der Dinge (IoT, Internet of Things) wird als Ideentreiber wahrgenommen. Neben Startups wollen auch etablierte Hersteller und Markenartikler im Food-Bereich partizipieren, um sich damit neue Märkte zu erschließen. Die damit verbundene Flexibilisierung und Modularisierung der Fertigung auf kleinstmögliche Einheiten erfordert maximierte Datenverfügbarkeit. Da ERP-Systeme einen Großteil der Daten vorhalten, spielen sie eine zentrale Rolle bei IoT-Projekten. Holger Behrens, Vorstand des SAP-Partners Cormeta, erläutert dazu: „Die Endverbraucher fordern heutzutage persönlich auf sie zugeschnittene Produkte. Hier gibt es schon einige nennenswerte Beispiele für Individualisierung, et-wa bei der Katjes Candy Factory mit
Consumer 3D Printing.“ Der Fruchtgummihersteller hat in einigen Ladengeschäften 3D-Drucker aufgestellt, mit denen aus zahlreichen Formen individuelle Süßigkeiten kreiert werden können. Vor kurzem erst wurde der Online-Shop für die „selbst-designten“ Fruchtgummis angebunden. Ähnlich das Beispiel der NASA mit 3D-Lebens-mitteldruckern für Langzeit-Missionen im All.
Digitale Daten für digitale Prozesse
Das Startup BeeHex hat die NASA-Technik weitergeführt. Mit den 3D-Printern lassen sich Pizza, Schokolade und Kleingebäck durch Düsen gepresst schichtweise „drucken“. Findige Apparatebauer denken bereits über eine Kombination von 3D-Druck und Backofen nach. Automatisierung ist für die prozessfertigende Industrie kein Fremdwort: Viele Prozesse wurden bereits in den zurückliegenden Jahren automatisiert und teilweise bereits digitalisiert.
„Wir haben bei unseren Kunden in der Nahrungsmittelbranche mit der ERP-Implementierung schon viele digitale Prozesse optimiert und zu einem Großteil auch mit intelligenter Workflow-Unterstützung automatisiert“, erklärt Holger Behrens. Im Fokus der
digitalisierten Prozesse stand dabei jedoch immer das ERP-System – bei Cormeta die SAP-All-in-One-Branchenlösung Foodsprint. „Sicherlich haben noch nicht alle Kunden die PLM-Funktionalitäten oder automatisierte QM-Prozesse und systemgestützte Re-
zepturentwicklung umgesetzt, doch Dokumentation, Chargenrückverfolgbarkeit und In-Prozess-Kontrollen für HACCP beziehungsweise FDA haben inzwischen die meisten implementiert.“
Doch gerade im Vorfeld der Digitalisierung ist es wichtig, beispielsweise auch die Rezepturentwicklung und Qualitätssicherung softwaregestützt zu betreiben, um innovative Food-Produkte schnell in den Markt zu bringen.
Holger Behrens: „Was nützt eine tolle Entwicklungsabteilung mit guten Ideen, wenn sich diese bis zur Markteinführung schon wieder überholt haben?“
Gerade vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden internationalen Wettbewerbs können innovative Produkte neue Märkte erschließen. Wesentliche Voraussetzung für eine schnelle Markterschließung sind – neben einer integrierten Rezepturwicklung – eine individualisierte Fertigung sowie Transparenz über Material- und Prozesskosten. „Für mittelständische Lebensmittelproduzenten sind dies echte Herausforderungen“, weiß Holger Behrens. „Eine flexible und kundenindividuelle konfektionierte Fertigung erfordert Transparenz über alle Prozesse, und hierbei können wir unterstützen.“ Die Flexibilisierung gehe bis zum Etikettendruck, der mit Daten aus dem ERP-System angestoßen wird, und zwar – falls erforderlich – bis zum individuellen Einzeletikett. „Wir dürfen nie vergessen: Digitalisierung verlangt digitale Daten, und da kommt ein großer Teil aus den Stammdaten der ERP-Systeme, aus PLM, CRM, DMS und dergleichen.“ Ein PLM beispielsweise und sukzessive die damit verbundene Rezepturentwicklung sollte so flexibel sein, dass sich neue Rezepte durch Abwandlung bereits vorhandener entwickeln lassen. Hier sind Funktionen wie Massenänderung oder einfaches Kopieren von Rezepten von Vorteil. Eine weitere Arbeitserleichterung ergibt sich, wenn Etikettendaten via Kommunikationsschnittstelle direkt an das Marketing oder den Verpackungshersteller verschickt werden können. Eine Statusänderung sorgt dafür, dass aus einem Neurezept automatisch die Produktionsstückliste generiert wird.
Von der Chargenverfolgung zum Food Tracking
Wer als Food-Produzent additive Fertigungsverfahren einführt, wird seine Produktion flexibel gestalten und modular aufbauen. Eine Großbäckerei etwa wird sich keinen überdimensionierten 3D-Drucker für die Herstellung von Teiglingen in die Prozessanlage stellen, sondern eine Reihe paralleler kleinerer Prozesseinheiten aufbauen. Diese lassen sich flexibler bestücken und schneller umrüsten – wichtig für kleine Losgrößen. So könnte selbst der Großbäcker einem Kunden jeden Tag seine persönliche Semmel herstellen und in den Laden liefern.
„Dies sind keine Utopien mehr, sondern wird schon bald Realität sein“, prognostiziert Holger Behrens. Was bei Müsliverpackungen schon heute möglich sei, werde morgen bei vielen Lebensmittelprodukten möglich sein im Sinne des Business-to-Customer. „Die Konsumenten sind heute erheblich sensibler als noch vor Jahren, was die Herkunft ihrer Lebensmittel betrifft“, merkt der Cormeta-Vorstand an. „Sie wollen wissen, wo etwas produziert wurde, und woher die Rohstoffe kommen.“ Um transparent zu machen, woher Chips, Pasta oder Schnitzel stammen, ist ein Herkunftsnachweis erforderlich. Dies können die meisten IT-Lösungen auch abbilden. In der Prozessindustrie spielt neben der Chargenrückverfolgbarkeit bei der Massenserialisierung heute ein Track-and-Trace zum Kunden hin eine entscheidende Rolle. Zunehmend relevant für Lebensmittelindustrie und Handel ist auch, dass die Käufer mehr Transparenz erwarten.
In einer modernen Softwarelösung für die Prozessindustrie sollten alle Daten zu den Rohstoffen und deren Herkunft stets einseh- und nachverfolgbar sein. Hierzu müssen sich die Herkunftschargen im Wareneingang auf unterschiedliche Art erfassen lassen: entweder über vom Hersteller bereitgestellte Daten oder wahlweise durch eine Wareneingangsprüfung der Lieferantenchargen. Die Software sollte dann die Wareneingänge automatisch den Herkunftsdaten zuordnen können. „Wir empfehlen den Tracking-Code zum Beispiel als QR-Code auf die Verpackung aufzudrucken, damit darüber bis zum Ursprungsproduzenten rückverfolgt werden kann“, sagt Holger Behrens. „Über eine solche Funktion lässt sich die Herkunft eindeutig nachvollziehen und tracken.“ •